Tanzende Mädchen in Kuba

Projekte

Projekt TransformArte

Kunst für den sozialen Wandel – in Havanna

Zielgruppen
Kinder und Jugendliche aus gesellschaftlichen Rand- und Risikogruppen
Partnerorganisation
Consejo Nacional de Casas de Cultura (CNCC)
Projektlaufzeit
2004 bis 2012

Vergessene Textpassagen, ein missglückter Strich auf der sonst makellosen Zeichnung oder ein Einsatz, der schon zum zehnten Mal verpasst wurde – Früh übt sich, was ein Meister werden will! Das ist die Devise in La Timba und Jesús María, denn in den beiden benachteiligten Vierteln der Hauptstadt Havanna üben sich Kinder und Jugendliche seit 2006 im Schauspielern, Malen, Singen, Fotografieren, Tanzen und in anderen künstlerischen Aktivitäten. Doch es geht dabei um viel mehr: Mit abwechslungsreichen und kreativen Mitteln werden Kinder aus sozialen Rand- und Risikogruppen in ihrer sozialen Entwicklung unterstützt. Theater- und kunstpädagogische Ansätze unterstützen sie dabei, ihr eigenes kreatives Potential zu entdecken und ihre sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Auch werden Kinder im Rahmen des Projekts für ihr Umfeld sensibilisiert. Spielerisch und in geschütztem Rahmen werden soziale Hürden des Lebens thematisiert und die Kinder dazu angeregt, zukunftsorientierte Lösungsansätze zu entwickeln. Der unbeschwerte Zugang zu alltäglichen Problemstellungen hilft ihnen, Einstellungen und Verhalten langfristig zu verändern und auftretende Konfliktsituationen konstruktiv anzugehen und einfacher zu bewältigen.

Teilnehmerinnen eines Workshops

Im Zeichen der educación popular

Schon oft haben sich Kunst und künstlerische Betätigung als wirksame Instrumente erwiesen, um soziales Verhalten nachhaltig zu verändern. Im Gegensatz zur künstlerischen Erziehung, wie sie während des regulären Schulunterrichts stattfindet, bewirkt der fachkundige Einsatz von Kunst als Mittel zum Zweck Veränderungen auf der psycho-sozialen Ebene, die die Sozialisation positiv beeinflussen, bis in das soziale Umfeld der Kinder wirken und somit soziale Transformationsprozesse in Gang bringen können. Um diese Prozesse nachhaltig anzustossen, werden die Kinder ganz im Sinne der educación popular als eigenständige Akteure gesehen: Gemeinsam mit ihnen werden Lösungsansätze erarbeitet, die nicht nur ihre Bedürfnisse berücksichtigen, sondern auch Selbstsicherheit im Umgang mit Problemen und ein nachhaltiges Problembewusstsein verleihen. Mit der partizipativen Aufarbeitung von Alltagschwierigkeiten kann besonders bei Kindern aus Rand- und Risikogruppen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass es möglich ist, Probleme eigenmächtig und zukunftsorientiert zu lösen und so der eigenen sozialen Benachteiligung entgegenzuwirken. Mithilfe von kunst- und theaterpädagogischen Ansätzen wird den teilnehmenden Kindern dabei das notwendige Wissen vermittelt, das ihnen neue Perspektiven auf ihre Lebensumstände ermöglicht, Zusammenhänge von Ursache und Wirkung aufzeigt, und sie ermutigt, selbstbestimmt um Chancengleichheit und Gleichberechtigung zu kämpfen.


Künstlerische Workshops

Auf diesen Grundgedanken basierend, setzt sich TransformArte künstlerisch und theatralisch mit Themen wie Gewalt, Drogenmissbrauch, Ausgrenzung oder Armut auseinander. Um Einstellungs- und Verhaltensveränderungen bei Kindern und Jugendlichen zu erreichen, werden in der Timba nun schon seit mehreren Jahren verschiedene künstlerische Workshops initiiert, die sich auf kreativem Wege mit sozialen Problemen aus dem Lebensumfeld der Kinder auseinandersetzen. Seit 2006 finden in der Grundschule Gustavo Pozo zweimal pro Woche Einheiten statt, in welchen Theater und Puppen gespielt, gebastelt, Geschichten erzählt, gemalt, fotografiert oder musiziert wird. Im Rahmen dieser kreativen Tätigkeiten werden zusammen mit den Kindern sensible Themen aufgearbeitet, die von der persönlichen Lebenswirklichkeit der Kinder ausgehen. Mit der Aufarbeitung dieser Themen wird die Absicht verfolgt, Kindern Bezugspunkte zu geben, die ihnen das Übertragen von erarbeiteten Lösungsansätzen auf ihren Alltag und ihr Umfeld erleichtern sollen. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die Ursachen von Lebensschwierigkeiten, das Verständnis für das Verhalten der Mitmenschen sowie die Sensibilität für das soziale Umfeld.

Workshop Teilnehmerin mit Handpuppe Kinder beim virtuellen Musizieren

Erfahrungen aus der langjährigen Projektpraxis haben gezeigt, dass Kinder, die an diesem Projekt teilnehmen, umsichtiger auf Konflikte in ihrem Umfeld reagieren, besser und proaktiver mit ihnen umgehen können und negative Bewältigungsstrategien wie z.B. aggressives Verhalten verringert haben. Zudem wurden Kinder auf ihre eigenen künstlerischen Fähigkeiten, ihr kreatives Potential oder künstlerisches Talent aufmerksam und versuchen, diese auch im Alltag zu entfalten.


Von La Timba zu Jesús María

2011 wurden die Kunstaktivitäten von der Timba auf die Casa del Niño y de la Niña, das im Altstadtviertel Jesús María gelegene ‚Haus der Jungen und Mädchen’, ausgedehnt. Mit Rollenspielen, selbst gestalteten Puppen, Theater- und Gesangseinheiten werden nun auch in Jesús María Geschichten erzählt, deren Dreh- und Angelpunkt die grössten Probleme des Wohnviertels sind. Familiäre Gewalt, Aggression im Alltag, Marginalität oder prekäre materielle Lebensbedingungen sind immer wiederkehrende Thematiken, die auch dort in den Seminareinheiten behandelt werden. Um eine nachhaltige Aufarbeitung dieser Themen zu ermöglichen, wurde die Zusammenarbeit auch auf Eltern und Schule ausgeweitet. 2012 wurde das Projekt in lokale Strukturen überführt und wird seither durch das geschulte Personal der Casa del Niño y de la Niña eigenständig weitergeführt.